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Donnerstag, 15. November 2007
 
Abschaffung des Widerspruchsverfahrens verringert Bürgerrechte und ist unsozial!
Widersprüche gegen Behördenentscheidungen sind in NRW nicht mehr möglich
Dorf!nfo.de

"Bürokratieabbau ist grundsätzlich eine gute Sache wenn dies zu Kostensenkungen und zur Beschleunigung der Verfahren dient," meint der heimische SPD-Abgeordnete und Verwaltungsexperte Gerd Stüttgen. "Etwas anderes ist es jedoch wenn dies wie bei der Abschaffung des Widerspruchverfahrens zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger geht. Seit den preußischen Reformen war es üblich, dass man gegen Verwaltungsentscheidungen bei der nächst höheren Behörde Widerspruch einlegen konnte," fügt sein Kollege der innenpolitischer Sprecher des SPD-Landtagsfraktion Dr. Karsten Rudolph hinzu.

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Nun wird also das Erfolgsmodell "Kein Widerspruch gegen Maßnahmen des Jugendamtes" auch auf andere Teile der Verwaltung ausgeweitet - zumindest in Nortdrhein-Westfalen und Niedersachsen. Es bleibt das Geheimnis der Landesregierungen, wie das noch mit dem Grundgesetz vereinbar sein soll. Zur Entlastung der Gerichte und somit der Reduzierung der Verfahrensdauern trägt es erst recht nichts bei.

Das alles entspringt bestimmt einer höheren Weisheit. Wie sagte Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg:

"Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen!"

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Untätigkeitsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer einführen
Heute im Bundestag-Meldung 294/2007
(hib/MIK)

Für die Einführung einer Untätigkeitsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer bei Gericht hat sich der Petitionsausschuss eingesetzt und die zugrundeliegende Eingabe am Mittwochmorgen einstimmig dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) "als Material" überwiesen und den Fraktionen des Deutschen Bundestages "zur Kenntnis" gegeben. In seiner Eingabe beklagt der Petent die lange Verfahrensdauer vor Gericht. Seit drei Jahren führe er einen Zivilprozess wegen Baumängeln. Der beklagte Baukonzern unternehme alles, um den Prozess nach Einholung von zwei Gutachten, die Baumängel bestätigten, weiter in die Länge zu ziehen. Er möchte nun wissen, wie er das Verfahren beschleunigen könne. Dem Petenten ist unverständlich, warum er als Geschädigter zunächst einen Gerichtskostenvorschuss leisten muss, damit das Gericht überhaupt tätig wird, und warum für die Einholung von Sachverständigengutachten zusätzlich ein Auslagenvorschuss fällig sei. Bei der vom Ausschuss eingeholten parlamentarischen Prüfung führte das BMJ aus, dass die Justiz im Allgemeinen "durchaus zügig" arbeite. Statisch habe die durchschnittliche Erledigungsdauer im Jahr 2004 bei den Arbeitsgerichten in Zivilsachen bei 4,4 Monaten, in Familiensachen bei etwa 10,5 Monaten, in Strafsachen bei 4,3 und in Bußgeldsachen unter drei Monaten gelegen. Gleichwohl würden sich angesichts der hohen Belastung der Justiz und der beschenkten Haushaltsmittel in Einzelfällen längere Verfahrensdauern nicht immer vermeiden lassen. Die Ausstattung der Instanzgerichte sei Sache der Länder. Auf die Dauer gerichtlicher Verfahren könne nur insoweit Einfluss genommen werden, als der Gesetzgeber die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen oder Regelungen vorschlage, die den Gerichten ein zügiges Verfahren erlauben würden. Derzeit sieht das Prozessrecht keinen ausdrücklichen Rechtsbehelf vor, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen langsam verlaufe, so das BMJ. Diese Situation soll durch einen Gesetzentwurf der Bundesregierung verbessert werden, der als neuen Rechtsbehelf "die Untätigkeitsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer" vorsehe. Ein Bürger könne danach Beschwerde bei dem Gericht einlegen, bei dem sein Verfahren anhängig sei und verlangen, dass seine Sache rasch und effektiv vorangebracht werde. Wenn das Gericht keine Maßnahmen treffen wolle, um dem zu entsprechen, könne es die Beschwerde nicht selbst zurückweisen, sondern müsse die Angelegenheit dem nächst höheren Gericht vorlegen. Wenn das Eingangsgericht zwar Abhilfe leiste, der Betroffene aber den Eindruck habe, dass die getroffenen Maßnahmen eine Verfahrensförderung nicht bewirken könne, könne er auch die Vorlage an das nächst höhere Gericht erzwingen. Das BMJ will den Gesetzentwurf "zügig" in den Bundestag einbringen.

Dazu passt die folgende Meldung:

Juristen-Demo gegen Stellenabbau


Richter und Staatsanwälte kritisieren die Landesregierung
wdr 11.10.2007

Richter und Staatsanwälte gehen auf die Straße. Rund 1.300 Juristen aus NRW demonstrierten am Donnerstag (11.10.07) in Düsseldorf gegen die Pläne der Landesregierung, Arbeitsplätze in der Justiz zu streichen.

Großer Andrang bei Juristen-Demo
Vor dem Landtag formten die Demonstranten mit Grabkerzen ein Paragraphenzeichen und machten ihrem Unmut Luft. Nach Angaben des Deutschen Richterbundes war es die größte Demonstration von Juristen in der Geschichte von NRW. Die Organisatoren hatten nur mit 500 Teilnehmern gerechnet. Was die Juristen umtreibt, sind Pläne der Landesregierung, 1.000 der insgesamt 32.000 Stellen in der NRW-Justiz zu streichen.

Lesen Sie die vollständige Nachricht hier.

Nun wird also endlich der Vorwurf der überlangen Verfahrensdauer aufgegriffen. Wahrscheinlich nur deshalb, weil es in dem Petitionsverfahren um Baumängel, also um Geld geht. Im Familienrecht sind diese Vorwürfe schon seit langem erhoben worden, ohne dass es jemanden interessiert hätte. Dabei sind gerade Familiensachen besonders eilbedürftig, weil in vielen Fällen Kinder unwiederbringlich von ihren Familien oder Familienmitgliedern entfremdet werden. Ausgefallener Umgang lässt sich nicht nachholen; verstorbene Großeltern kehren nicht mehr zurück.

Selbst der EGMR hat Deutschland schon wegen der Verfahrensdauern gerügt. Auch das ist ohne Wirkung geblieben. Nun hat der EGMR festgestellt, dass in Deutschland eine wirksame Beschwerden gegen überlange Verfahrensdauer nicht möglich ist.

Doch was der Bundestag richten will, wird offenbar von den Ländern wieder zunichte gemacht. Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds NRW, sagt jedenfalls:

"Schon jetzt liegt Deutschland mit der durchschnittlichen Dauer von Gerichtsverfahren im EU-Vergleich an letzter Stelle. Eine Scheidung dauert inzwischen mehr als zehn Monate - das gab es noch nie."

Glückliches Nordrhein-Westfalen! In Hessen ist es keine Seltenheit, dass Scheidungsverfahren mehrere Jahre anhängig sind. Nun fragt sich, ob die neue Untätigkeitsbeschwerde etwas dagegen bewirken kann. Das wird entscheidend davon abhängen, wer anahnd welcher Kriterien darüber entscheiden und welchen Ermessensspielraum er dabei haben wird.

Lesen Sie dazu auch den Beitrag von Egon Schneider über das systematische Aushebeln von Dienstaufsichtsbeschwerden.

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