Donnerstag, 25. Oktober 2007
 
Bundesgerichtshof stärkt Rechte nichtehelicher Väter
YAHOO! NACHRICHTEN 24.10.2007
AFP

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat die Rechte nichtehelicher Väter gestärkt. Nach einem am Mittwoch bekannt gegebenen Beschluss können sie ohne Zustimmung der Mutter das Sorgerecht für ihr Kind bekommen, wenn die Mutter das Kind nicht selbst aufziehen, sondern zur Adoption freigeben will. Pflegeeltern, die das Umgangsrecht des leiblichen Vaters nicht akzeptieren wollen, drohten die Karlsruher Bundesrichter mit einer Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie. Bei allen Entscheidungen sei allerdings "das Kindeswohl als oberstes Gebot zu berücksichtigen". (Az: XII ZB 229/06)

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Kommentar von Dietmar Nikolai Webel, Vorstandsmitglied im "Väteraufbruch für Kinder" (VAfK):

„Es tut uns sehr leid. Wir haben einen Fehler gemacht?“
Der BGH hat entschieden und doch nicht entschieden, die Beschwerde über den Sorgerechtsbeschluss des OLG Naumburg wurde zwar zurückgewiesen, aber die Richter machten klar, dass der betroffene Vater daran kein Schuld hat und haben kann. Im Gegenteil. Sie gingen weit über das hinaus, was erforderlich gewesen wäre. Nach Lesen des Beschlusses könnte man den Inhalt folgendermaßen zusammenfassen:

„Wir haben die Nase voll. Hallo Behörden von Sachsen-Anhalt, es reicht uns jetzt. Macht was wir Euch jetzt sagen und Schluß endlich mit der Hinhalte-Taktik. Das Kind kommt jetzt schnellstmöglich zurück zum Vater. Ein Trennungsschmerz ist dann da, wäre auch schön, wenn der Junge weiterhin noch mit den Pflegeeltern und dem Pflegebruder Kontakt haben könnte – aber ansonsten ab zum Vater. Und zwar dalli, dalli. Und basta. Keine Widerrede mehr, das könnt Ihr auch jetzt nicht mehr haben, weil man gegen einen Zurückweisung ja nicht klagen kann. Also keine Fisimatenten mehr, wir haben Euch auch alles noch mal vor die Nase gehalten, was Ihr im Einzelnen für Mist gemacht habt und damit das Ganze unsäglich in die Länge gezogen habt. Sogar noch nach dem EMGR-Urteil und später nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Jetzt lassen wir uns nicht mehr von Euch auf der Nase herumtanzen, die Görgülüs haben genug gelitten, ihre Rechtsanwältin Azime Zeycan genug gekämpft. Wir sagen jetzt dem Jugendamt und dem Vormund wie das geht, damit der Junge jetzt zum Vater kommt und basta.“

Schelte für das Naumburger OLG

In einer bemerkensweiten Detailgenauigkeit wurde akribisch jeder Beschluss aufgezählt, wer wann in Beschwerde gegangen ist, wie entschieden worden ist – um eines wohl genau aufzuzeigen: mit welcher unzumutbar langen Zeitspanne ein Vater vergeblich um seinen Sohn gekämpft hat. Und welche gravierenden Rechtsverletzungen vom Oberlandesgericht Naumburg nicht nur nicht verhindert worden seien, sondern wohl eher noch ihre Unterstützung fanden. An dieser Stelle wurde auch klar, dass eine mutige Amtsrichterin in Wittenberg sich vergeblich immer wieder gegen das mächtige OLG gestemmt hat – und zuletzt doch Recht behalten sollte. Ach ja, und der BGH vergaß auch nicht zu erwähnen, dass man ja ursprünglich einen renommierten Professor der Kinder- und Jugendpsychiatrie als Gutachter nehmen wollte. Und was nahmen die Richter aus dem Naumburger no-go-area? Frau Kerstin von Gehlen. Frau wer? Vergessen wir es schnell, Schwamm drüber.

Verständnis für die Aktivitäten des Vaters – Klare Grenzen den Pflegeeltern gezeigt

Auffällig an der BGH-Entscheidung war auch das Verständnis, welches die Richter für das Verhalten des Vaters aufbrachten – wenn er demonstrierte oder wenn er sich an die Öffentlichkeit wandte. Denn wenn man „gegen wiederholt fehlerhafte Entscheidungen“ kämpft, dann auch so. Auf deutsch: „Die Naumburger Juristen, die Pflegeeltern, das Jugendamt und die anderen Behörden haben Euch Unrecht getan, dann darf man auch dagegen demonstrieren. Aber erst, wenn es hohe Gerichte feststellen.“

Deutlich dagegen die Drohung gegen die Pflegeeltern und deutlich auch die Unterstützung für den zuletzt eingesetzten Vormund: Wenn die Pflegeeltern sich weiter gegen den Umgang mit dem leiblichen Vater sträuben, dann hilft nur eins: Kindesherausnahme. Zumal der BGH wohl das Verhältnis zwischen Pflegeeltern und Kind als gestört ansieht. Die Rolle einer leiblichen Elternschaft wurde gegenüber sozialer Elternschaft hervorgehoben.

Auswirkungen des BGH-Beschlusses für nicht-eheliche Väter

In den Fällen, wo Mütter nicht betreuen können oder wollen, dürften nun Väter aufgrund ihres natürlichen Elternrechts Vorrang haben. Bevor ihre Kinder von Dritten betreut werden sollen, haben ihre Väter Vorrang vor allen anderen Betreuungspersonen. Voraussetzung ist natürlich wie immer, dass das Kindeswohl nicht gefährdet sein darf, aber auch hier gilt: Trennungsschmerz ja, aber die langfristigen Auswirkungen der Trennung von Kindern und ihren Eltern/Vätern muß mit berücksichtigt werden.

Mögliche Schwachpunkte

Natürlich könnte man den BGH-Beschluß auch kritisch sehen: Warum keine weniger einschneidende Maßnahmen? Warum keine Einsetzung eines Umgangspflegers? Tja, dann wären die Probleme nicht gelöst. Wenn der leibliche Vater über Krankenhaus-Aufenthaltsorte entscheiden soll und die Pflegeeltern sich dagegen sperren sollten? Es gäbe also in der Praxis dauernd Konfliktpotentiale. Daher ist der BGH-Beschluss letztlich die richtige Entscheidung. Es wird jedoch Kritik geben: Woher nimmt der BGH die Gewissheit, dass das Verhältnis Kind-Pflegeeltern gestört ist? Das hätte man auch genauer erklären können. Sicherlich. Aber letztlich kommt es darauf nicht an. Niemals war das Kind bei Pflegeeltern, weil es - wie sonst üblich - bei Eltern herausgenommen werden musste.

Grenzen auch der Pflegeeltern-Lobby aufgezeigt

Pflegeeltern sind halt auch nicht immer gleich Pflegeeltern. Es gibt solche und solche, wie bei richtigen Eltern auch. Und das sollte zukünftig auch besser beachtet werden. Wenn Pflegeeltern als solche ungeeignet sind, sollte ein Wechsel des Kindes in eine andere Pflegestelle in Betracht kommen, damit der Wechsel zu den leiblichen Eltern vonstatten gehen kann. Daher ist dieser Beschluss auch eine Niederlage für die Pflegeeltern-Lobby. In diesem Falle hat Professor Dr. Ludwig Salgo von der Universität Frankfurt und Frau Dr. Gisela Zenz (eine pensionierte Universitätsprofessorin) zweimal eine Schlappe hinnehmen müssen – einmal als Prozessvertreter der Verfahrenspflegerin im Fall Görgülü vor dem Bundesverfassungsgericht und nun mit diesem BGH-Beschluss.

An dieser Stelle sollte deutlich gemacht werden, dass diese zwei Personen laut Behördenauskunft eine regelrechte Kampagne gegen Familie Görgülü gestartet haben sollen, ohne sie zu kennen. Ja, sie beantragten sogar den Umgangsausschluss im Fall Görgülü vor dem Bundesverfasssungsgericht als o.g. Prozessvertreter. Diese beiden Pflegeeltern-Lobbyvertreter, Salgo und Zenz, waren sich offenbar nicht zu schade, im Hintergrund im Görgülü-Verfahren mitzumischen. Aber um die Familie ging es wohl auch gar nicht.

Praktischerweise liegt Salgo auch die Ausbildung von Verfahrenspflegern sehr am Herzen. Und wie man im Fall Görgülü sehen kann, geht’s damit scheinbar auch leichter, um vor dem Bundesverfassungsgericht mal aufzutreten. Wobei die Frage erlaubt sein muß: Handelt es sich hier um einen Ideologiestreit oder geht es um einen kleinen Jungen und dessen Vater? Haben die beiden Professoren eventuell befürchtet, dass die Rechte leiblicher Eltern gestärkt werden könnten? Oder etwa gar die von leiblichen Vätern?

Nebenbei bemerkt: Auch in einem anderen Fall – in dem ein Vater mehr als zehn Jahre um seine beiden Kinder gekämpft hat - haben die beiden Frankfurter Professoren einen Verfahrensbeteiligten, nämlich den Ergänzungspfleger stetig „beraten“ und praktischerweise auch gleich das betreffende Frankfurter Jugendamt mit. Bis heute hat der betreffende Vater keinen Kontakt zu seinen Kindern, so wie er es sich wünscht. Anscheinend werden nicht nur im Görgülü-Verfahren manche Beteiligte von Frankfurter Professoren „beraten“. Ob man auf diese Weise Verfahren manipulieren kann? Diese Frage sollte sich jeder selber beantworten.

Fazit:

Das BGH-Urteil hat Klarheit gebracht. Die Frage ist nur, wie die Behörden von Sachsen-Anhalt nun in der Praxis angehalten werden können, damit jetzt zügig der Umgang ausgebaut und das Kind zum Vater wechseln kann. Denn bisher haben ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) und sechs Urteile des Bundesverfassungsgerichtes nicht ausgereicht, um die Behörden endlich auf den richtigen Weg zu bringen.

Der Familie Görgülü ist soviel Unrecht passiert, dass es an der Zeit wäre, dass sich Behördenleiter oder der Oberlandesgerichtspräsident von N. (man mag es schon gar nicht mehr schreiben) wenigstens jetzt mit menschlichen Gesten melden würden. Mit nur einem Wort bei ihnen melden würden: „Entschuldigung.“ Und wer noch ein kleines bisschen mehr Größe hat, darf auch sagen: „Es tut uns sehr leid. Wir haben einen Fehler gemacht.“

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