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Samstag, 24. November 2007
 
"Deutsches Familienrecht vernachlässigt Kindeswohl"
Die Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein, Ingeborg Rakete-Dombek, hat dafür plädiert, die Kindergrundrechte in die Verfassung aufzunehmen. Im deutschen Familienrecht gehe es vorwiegend um die Rechte der Eltern am Kind, kritisierte Rakete-Dombek.
Deutschlandradio 23.11.2007
Moderation: Katrin Heise

Kinder haben das Recht auf Umgang mit ihren Erzeugern. So steht es sowohl in der EU-Menschenrechtskonvention als auch in der UN-Kinderrechtskonvention und seit 1998, nach der Modernisierung des Kindschaftsrechts, auch im deutschen Gesetzbuch. Karlsruhe muss nun entscheiden, ob dieser Umgang erzwungen werden soll. Der Fall des Vaters, der jeglichen Kontakt zu seinem achtjährigen Sohn ablehnt, erhitzt die Gemüter. Im Radiofeuilleton äußerten sich unsere Hörer betroffen.

Lesen Sie den vollständigen Wortlaut hier.

Nach den Äußerungen von vier Hörern folgt ein Interview mit der Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein, Ingeborg Rakete-Dombek. Die aber äußert sich nicht wirklich zu dem aktuellen Fall, sondern stellt "durch die Hintertür" wieder das Umgangsrecht der Väter in Frage:

"Wir haben also im Gesetz nicht nur den Umgang zum Erzeuger, sondern es steht drin, jedes Kind hat das Recht auf Umgang mit seinen Eltern, und die Eltern haben die Pflicht dazu. Und das muss man jetzt anschauen und muss man auslegen. Und gleichzeitig steht im Gesetz, dass es zum Wohl des Kindes gehört, dass es Umgang mit beiden Elternteilen hat. Das war eine Definition von 1998. Und ich frag mich heute, ob es so gut war, das ins Gesetz zu nehmen."

"Ja, es offenbart den Mangel, dass wir in der Verfassung keine Kinderrechte verankert haben. Wir haben nur das Elternrecht verankert."

Als Fachanwältin für Familienrecht sollte Frau Rakete-Dombek den Wortlaut des § 1684 BGB kennen:

§ 1684
Umgang des Kindes mit den Eltern

(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.

(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet.

Damit ist das Kind eindeutig Rechtssubjekt mit eigenen Rechten. Für die Eltern werden vornehmlich Pflichten definiert. Und die Formulierung, dass der Gesetzgeber festgelegt hat, dass der Umgang in der Regel dem Wohl des Kindes dient, hat er sich schließlich nicht alleine ausgedacht, sondern entspricht vielmehr gesicherter psychologischer Kenntnis. Das wird nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland so gesehen.

Das ist nun aber vielen umgangsverweigernden Elternteilen ein Dorn im Auge. Daher versuchen sie, über die Festschreibung der Kinderrechte im Grundgesetz diese Regelung wieder auszuhebeln. Nur: Recht des Kindes kann nur sein, was seinem Wohl dient. Und das ist (s.o.) in der Regel Umgang mit beiden Elternteilen. Der einzige Effekt der Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz wird eine weitere Schwächung des Grundrechtes auf Achtung der Familie sein. Vor allem in Verbindung mit der geplanten Änderung des § 1666 BGB wird die Eingriffsschwelle der Jugendämter und Familiengerichte weiter abgesenkt. Bereits heute sind Willkürakte der deutschen Jugendämter an der Tagesordnung; in Zukunft soll diese Willkür legalisiert werden.

Ob das noch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention in Einklang zu bringen ist, ist zweifelhaft.

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"In diesem Fall Pech gehabt"
Das Entsetzen über den Tod der fünfjährigen Lea-Sophie aus Schwerin ist groß, das Jugendamt steht in der Kritik. Oberbürgermeister Norbert Claussen stellt sich schützend vor die Mitarbeiter der Behörde - und bietet eine befremdliche Interpretation des Geschehens.
Spiegel Online 23.11.2007
pad/dpa

Von Schuldzuweisungen will Schwerins Oberbürgermeister nichts wissen: Das Jugendamt könne nicht jede Familie kontrollieren, sagte Norbert Claussen (CDU) heute bei einer Pressekonferenz. "Es hätte in jeder anderen Stadt passieren können, und der, dem es passiert ist, hat in diesem Fall Pech gehabt", fügte Claussen hinzu.

Lesen Sie die vollständige Nachricht hier.
Folgemeldung siehe hier.

Natürlich darf der folgende Satz nicht fehlen:
"Vorschriftsmäßig, ordnungsgemäß und sachgerecht" sei das Verhalten der Jugendamtsmitarbeiter gewesen, sagte Oberbürgermeister Claussen.
Dieser Satz liegt dem Presseblog in dutzenden von amtlichen Schreiben vor. Selbst in Fällen, in denen den Jugendamtsmitarbeitern Verstöße gegen Gesetze oder Gerichtsbeschlüsse nachgewiesen werden können, beschränkt sich die amtliche Stellungnahme auf diesen einen Satz.

Bisher hat die Familienministerin derartige Vorfälle zum Anlass genommen, um noch intensivere Kontrolle der Eltern und Ausweitung der Befugnisse der Jugendämter zu fordern. Erstmals kommen nun auch von ihr andere Töne:

Von der Leyen kritisiert Schweriner Jugendamt im Fall Lea-Sophie


Focus Online 24.11.2007
dpa

Nach dem Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen Kritik am Vorgehen des Schweriner Jugendamts geübt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Jugendamt vorschriftsmäßig gehandelt hat, sagte die Ministerin der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Die Eltern Lea-Sophies seien als auffällig bekannt gewesen. Da hätte man nachhaken müssen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Christopher Schäfer in der Schweriner Volkszeitung vom 24.11.2007.

Bleibt zu hoffen, dass das alles kein Theaterdonner ist und die Jugendämter nun endlich einer wirksamen Kontrolle unterstellt werden. Das europäische Parlament betrachtet die deutschen Verhältnisse schon seit einiger Zeit mit wachsender Besorgnis. Wann wacht Berlin auf?

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