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Samstag, 17. November 2007
 
BGH entzieht Sorgerecht wegen Schulverweigerung
Frankfurter Allgemeine 17.11.2007
Reinhard Müller

Eltern, die ihre Kinder aus religiösen Gründen nicht zur Schule schicken, kann das Sorgerecht teilweise entzogen werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Freitag entschieden. Die Allgemeinheit habe ein Interesse daran, Parallelgesellschaften zu verhindern. Es ging um Spätaussiedler, die einer christlichen Glaubensgemeinschaft angehörten. Sie hatten der öffentlichen Grundschule mitgeteilt, dass sie künftig zwei jüngere ihrer Kinder zu Hause unterrichten würden.

Lesen Sie die vollständige Nachricht hier.

Es ist unglaublich: Wenn Eltern ihre Kinder aus religiösen Gründen selbst unterrichten wollen, wird ihnen das Sorgerecht entzogen. Wenn aber eine nicht sorgeberechtigte Mutter ein Kind nicht in die Schule gehen lässt, weil sie es dem sorgeberechtigten Vater entzogen hat und fürchtet, dieser könne es von der Schule abholen und nach Hause bringen, dann wird das nicht nur geduldet, sondern ihr wird auch noch das Sorgerecht zuerkannt! (Berichte dazu siehe hier und hier).

Aus der Beschlussbegründung:
"Da sie verhindern wollte, dass das Kind von dem Vater "abgegriffen würde", blieb der Mutter nichts anderes übrig, als sich über die bestehende Schulpflicht hinwegzusetzen und davon abzusehen, das Kind in die Schule zu schicken". Also wird die Verweigerung der Schulpflicht mit einer Straftat (Kindesentziehung) begründet! Seit wann kann ein allein sorgeberechtigter Elternteil ein Kind "abgreifen"?

Dieser Beschluss war natürlich keine Rechtsbeugung - so festgestellt von der Staatsanwaltschaft, der Generalstaatsanwaltschaft und dem OLG. Es war auch keine Grundrechtsverletzung - so festgestellt vom BVerfG. Deutsche Richter machen nun einmal keine Fehler.

Dieser Mutter wurde also das Sorgerecht übertragen. Selbst als sie - wie von den Gutachtern vorhergesagt - scheiterte und ihr die Sorge wieder entzogen werden musste, kam das Kind nicht zurück zu seinem Vater. Um mit den Worten eines Pfarrers zu sprechen: "Es sitzt nun in einem Heim und fragt sich, was es verbrochen hat".

Man kann Prof. Willi Geiger, ehem. Richter am Bundesverfassungsgericht nur zustimmen:

"Anstatt in Deutschland einen Prozess zu führen, kann man ebenso gut würfeln."

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Noch ein Vater ohne Kind
Frankfurter Allgemeine 07.11.2007
Bernd Fritz

Ehe, Kinder, Haus - die Familie schien perfekt. Doch nach der Trennung entbrannte ein jahrelanger Streit bis an die Grenzen des deutschen Sorgerechts.

...

P. erwirkt einen richterlichen Herausgabebeschluss. In dessen Begründung rügt der Bad Schwalbacher Familienrichter A., der ihm seinerzeit das alleinige Sorgerecht zugesprochen hatte, die „widerrechtliche Entziehung des Kindes" und ermächtigt den zuständigen Gerichtsvollzieher, „zur Durchsetzung der Kindesherausgabe Gewalt anzuwenden, ggf. die Wohnung der Mutter zu durchsuchen und Polizeikräfte zu seiner Unterstützung heranzuziehen". Am darauffolgenden Tag, dem 17. Juni, wird die Vollstreckung der richterlichen Anordnung unter Mithilfe des Jugendamts und eines Pfarrerehepaars vereitelt. Nach dem der Vater, der Gerichtsvollzieher und zwei Vertreter der Jugendbehörde am Wohnhaus der Mutter eingetroffen sind (die Polizeibeamten halten sich auf Bitten Ps. im Hintergrund), gehen der Gerichtsvollzieher und die beiden Jugendamtsmitarbeiter in die Wohnung von Frau P. Nach einer Weile tauchen der in der Nachbar schaft wohnende Pfarrer und dessen Frau auf, die ebenfalls in die Wohnung gelangen. Nach anderthalb Stunden - die Polizisten sind inzwischen zu einem anderen Einsatz gefahren - kommt die Gruppe mit dem Jungen heraus, der von der ihn um klammernden Pfarrersgattin geführt wird. Die Aufforderung des Vaters, sie solle seinen Sohn sofort loslassen, quittieren die Behördenvertreter mit höhnischem Lachen. Unter den Augen des Gerichtsvollziehers wird Leon in einen Kleinbus des Jugendamts bugsiert und in ein Heim verbracht. Die Heimleitung erhält von der Behörde Anweisung, jeglichen Kontakt Ps. zu seinem Sohn zu unterbinden.
Die Konsequenz aus dem behördlich begleiteten Rechtsbruch begreift P. bis heute nicht: Statt die Einstellung der Mutter gegen Recht und Gesetz strafrechtlich zu ahnden oder ihr durch Aussetzen des Umgangs die Möglichkeit zu nehmen, die Kindesentziehung zu wiederholen, sprechen
ihr die Justizorgane noch im selben Jahr das alleinige Sorgerecht für Leon zu.

Lesen Sie die vollständige Nachricht hier.
Über den Fall berichtete auch der Hessische Rundfunk in der Reihe HessenReporter.
Folgenachricht siehe hier.

Wen wundert es da noch, dass namhafte Juristen vom Niedergang des Rechtsstaats sprechen?

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